Alleinreisen als Frau

Alleinreisen als Frau

Die Sonne ist gerade untergegangen und es wird langsam dunkel. Kleine Wellen treffen auf den steinigen Strand, die Lichter von Rovinj spiegeln sich im Meer. Ich schlendere langsam zurück zum Campingplatz. Die erste Urlaubsnacht liegt vor mir. So richtig auf diesen Urlaub freuen kann ich mich gerade irgendwie nicht. Etwas in mir fragt sich, was zur Hölle ich da eigentlich mache. Was hab ich mir bloß dabei gedacht? Alleine reisen. Hm. Es fühlt sich komisch an, diesen Abendspaziergang alleine zu bestreiten. Alleine zurück zum Campingplatz. Alleine zum Waschhaus, vorbei an Familien und Pärchen. Alleine einschlafen. Alleine aufwachen. Alleine kochen, essen, spülen, aufbauen, abbauen, chillen, wandern, entdecken. Alles alleine. Ja, denke ich. Was zur Hölle mach ich hier eigentlich?

Und dann fällt mir ein, dass ich das alles ja genau so vorhatte. Ich hatte überhaupt nicht in Betracht gezogen, diese erste Caddyreise mit irgendjemandem zu teilen. Ich wollte meinen Camper Hedwig für mich ganz alleine und war so inspiriert von anderen Mädels mit Bullis und Campern, die alleine reisen. Wenn die das können, kann ich das auch, dachte ich. Es war ein Experiment, und mir war von Anfang an klar, dass es auch nach hinten losgehen könnte. Aber dass mich diese Gedanken gleich am ersten Abend einholen, damit hatte ich nicht gerechnet.

Es war nicht meine erste Reise alleine, aber die bisher längste und weiteste.

FAQ

Am nächsten Morgen, ich hatte gerade gefrühstückt, kam eine deutsche Frau zu mir herüber geschlendert. Diese Art von Gespräch kannte ich schon von einigen Kurztrips: „Bist du ganz alleine unterwegs?“, „Wow, also das könnte ich ja nicht.“, „Hast du denn keine Angst?“, „Und deinen Camper, den hast du selber so ausgebaut?“, „Ist ja verrückt, auf so kleinem Raum!“, „Und wird dir nicht langweilig, so ganz alleine?“, „Ach Mensch, wirklich toll dass du das einfach machst“. Ungefähr so läuft das jedes Mal. Immer die gleichen Fragen und immer die gleichen Antworten: „Ja, ich bin ganz alleine unterwegs. Nein ich habe keine Angst. Den Caddy habe ich mit meinem Vater ausgebaut. Ja, super praktisch so ein kleiner Camper. Nein, mir wird nicht langweilig.“

Ich freue mich zwar immer über Gesprächspartner, denn davon hat man ja nicht allzu viele wenn man alleine unterwegs ist, aber ich bin auch jedes mal wieder fasziniert darüber, wie faszinierend viele das finden, was ich da tue.

Wirklich viele sagen, sie könnten das nicht. Aber haben sie es denn mal ausprobiert? Ich glaube ja, man neigt häufig dazu zu denken und zu sagen, dass man etwas nicht könnte, nur weil man es sich selbst vielleicht nicht zutraut. Aber manchmal lohnt es sich, einen Schritt ins Unbekannte zu wagen.

Die Sache mit der Angst

Ganz grundsätzlich bin ich keine besonders ängstliche Person und das kommt mir natürlich beim Alleinreise zugute. Dennoch gibt es Situationen, die man alleine einfach anders angeht, als in Gesellschaft. Ein Spot zum Wildcampen wird noch sorgfältiger ausgesucht und genauestens betrachtet. Ich würde zum Beispiel nicht unbedingt alleine irgendwo einfach am Straßenrand stehen. Man muss das Glück ja auch nicht zu sehr herausfordern. Wobei ja niemand weiß, dass ich alleine im Auto liege. Da müsste ich schon vorher beobachtet worden sein, dass das jemand mitbekommt. Und selbst wenn es mir dann doch irgendwie unheimlich wird und mitten in der Nacht jemand um mein Auto herumschleichen sollte, könnte ich mich immer noch schnell auf den Fahrersitz schwingen und einfach losfahren. Manchmal teile ich meinen Standort beim Wildcampen zum Beispiel mit meiner Schwester für den Fall, dass doch mal irgendetwas sein sollte. Und tatsächlich habe ich ein Pfefferspray im Auto, aber das kam bisher noch nie zum Einsatz.

Genau so, wie ich meine Schlafplätze aussuche, gehe ich meine Wanderungen allein ein klein bisschen vorsichtiger an, als zu zweit. Die Strecken sind zwar häufig relativ waghalsig, aber ich achte zum Beispiel immer darauf, dass mein Handyakku beim Losgehen voll geladen ist, ich genug zu Trinken dabei und die Wanderkarte abfotografiert habe. Man weiß ja nie… Grundsätzlich entscheide ich aber bei allem nach meinem Bauchgefühl und sobald mir irgendetwas komisch vorkommt, entscheide ich mich einfach dagegen.

Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, wie sehr das Alleinreisen das eigene Selbstbewusstsein stärkt. Bei vielen Dingen weiß ich jetzt: Ich kann das! 


Was ist eigentlich Langeweile?!

Die Frage nach der Angst kann ich durchaus nachvollziehen. Aber Langeweile ist für mich tatsächlich ein Fremdwort und mir fällt auf Reisen eigentlich immer eine Beschäftigung ein. Und wenn man einfach nur so in der Hängematte liegt und nichts tut, dann ist das ja nicht langweilig, sondern sehr entspannend. Falls ich dann mal weder Lust auf Lesen, noch auf Fotografieren, Wandern, Rumhängen, Weiterfahren, Postkarten schreiben, Bummeln, Kochen, Spülen, oder was weiß ich was habe, kann ich immer noch Hedwig aufräumen! ;-) Denn sind wir mal ehrlich: das was bei Instagram immer als #Vanlife gefeiert wird, hat nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun. Auch bei mir herrscht gelegentlich Chaos im Camper, das hin und wieder beseitigt werden muss.

Alleinsein vs. Einsamkeit

Was mir beim Alleinreisen richtig gut gefällt, ist das Alleinsein. Klar ist es anfangs gewöhnungsbedürftig, aber nachdem man sich einmal drauf eingestellt hat, kann es sehr befreiend und bereichernd zugleich sein. Man lernt sich dadurch selbst noch viel besser kennen, denn man ist gezwungen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Etwas, vor dem man im Alltag gerne mal flieht und sich stattdessen mit tausend anderen Sachen ablenkt. In vielen Dingen bin ich alleine schneller (z.B. Besichtigungen & Stadtbummel), für andere muss ich mehr Zeit einplanen (z.B. Autofahrten, Auf- und Abbau). Alleine kann ich auch richtig gut meine Seele baumeln lassen. Den Job Job sein lassen und meinen kompletten Alltag einfach ausblenden. Das ist wirklich sehr entspannend.

Aber dieses Alleinsein darf nicht mit Einsamkeit verwechselt werden: Denn einsam fühle ich mich auf meinen Reisen alleine eigentlich nicht. Zugegeben, an diesem ersten Abend in Kroatien war ich schon etwas einsam. Weil ich plötzlich Zweifel hatte, ob das alles eine gute Idee ist. Aber nachdem ich mich drauf eingestellt und mit Hedwig richtig schön eingegrooved hatte, war von Einsamkeit eigentlich nichts mehr zu spüren. Schon nach zwei Tagen konnte ich das Alleinsein richtig genießen. Diese komplette Unabhängigkeit und Flexibilität sind wirklich viel wert. Du machst einfach nur das, worauf du wirklich Lust hast. Und wenn du mal bis mittags schläfst, ist das vollkommen egal denn du darfst ja alles selbst entscheiden. Niemand wartet auf dich und du musst nur das tun, was du wirklich tun willst.


Was manchmal etwas blöd ist, ist wenn man neu auf einem Campingplatz eintrifft und beobachtet wird. Sprecht mich doch einfach an, liebe Leute! Da gibt es schon häufiger mal verstohlene Blicke während ich aufbaue. Aber inzwischen weiß ich: Die meisten gucken nur, weil sie neugierig sind und vielleicht sogar bewundern, dass du alleine bist. Dennoch sind mir diejenigen, die mir zum 100. mal die gleichen Fragen stellen irgendwie lieber.

Insgesamt ist das Alleinreisen jedenfalls eine Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte und jedem nur ans Herz legen kann. Es muss ja nicht immer gleich eine weite Reise sein. Ein Kurztrip am Wochenende reicht vollkommen, um das Ganze mal zu testen.

Anna Bourgeret

Ich bin Anna, Gründerin von Campers Compass. Seit ich denken kann, mache ich Campingurlaub - Egal ob Wohnwagen, Zelt, Wohnmobil oder Minicamper, Camping ist für mich die schönste Art zu Reisen. Mit Campers Compass realisiere ich wortwörtlich ein Herzensprojekt. Denn mein Herz schlägt für kleine und große Campingreisen, Auszeiten in der Natur und Mikroabenteuer vor der Haustür. Ich liebe es, neue Orte zu entdecken, Routen zu planen und Reisen vorzubereiten.

17.9.23

Camping

Alleine reisen

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